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Exkurs Bautechnikgeschichte: Was kann altes Eisen – Gusseisen, Schweißeisen, Flusseisen?

Stehen wir vor einer historischen Gusseisen oder Alteisenkonstruktion, stellt sich häufig die Frage: Was kann das alte Eisen? Worin unterscheidet es sich möglicherweise von unserem heutigen Stahl? Was muss bei der Weiterverwendung im Zuge von Umnutzungen / Sanierungen alter Eisenbauteile bedacht werden? Wie sind die Bauteile gefügt oder wie können sie zukünftig gefügt werden?

Von welchen Materialien reden wir überhaupt, wenn wir mit historischen Bauteilen aus Eisen zu tun haben?

Die Frage nach den vorhandenen Tragfähigkeiten im Baubestand stellt sich vor allem bei Bauteilen, die mit Beginn der Industrialisierung hergestellt wurden. Davor kamen eiserne Bauteile in Europa in älteren Gebäuden nur als Kleinbauteile (Verbindungsmittel, durchaus bis zu 8m lange Zugeisen z. B. am Altenberger Dom, Giebelanker u.ä.) zum Einsatz. Diese Kleinbauteile wurden über Jahrhunderte über Schmiedefeuern erzeugt und weisen handwerkbedingt unterschiedliche Festigkeiten / Qualitäten auf. Mit Beginn der Industrialisierung Ende des 18. Jahrhunderts konnten nun plötzlich in größerem Umfang und Abmessungen Gusseisenbauteile hergestellt werden.

Worauf ist bei Gusseisen zu achten?

Gusseisen weist gute Druckfestigkeiten, jedoch nur geringe Zugfestigkeiten auf. Es ist aufgrund seines hohen Kohlenstoffanteils spröde, nicht plastisch umformbar oder schmiedbar und nicht schweißbar. Gusseisenbauteile sind daher mit Steck- und Schraubenverbindungen gefügt. In den Anfängen des Eisenbaus wurden trotz geringer Zugfestigkeiten auch gusseiserne Biegeträger verwendet. Optisch unterschieden sich diese z. T. von heutigen z. B. Doppel-T-Trägern durch mehr Material in Zugzonen. Häufiger kam Gusseisen jedoch bei druckbeanspruchten Stützen zum Einsatz. Ein bekanntes frühes Gusseisentragwerk ist die Coalbrookdalebridge in England.

Hinsichtlich des Materialverbrauchs und der Tragfähigkeit günstig wirken Hohlstützen. Gusseiserne Hohlstützen wurden oft in zweiteiligen Formen mit Kerneinlage gegossen. Im Zuge des Gießens kam es häufig zum Aufschwimmen des Kerns und einer damit einhergehenden Exzentrizität des Hohlraums der Stützen und dadurch unregelmäßigen Wanddicken. Diese Kernexzentrizität hat Einfluss auf die Tragfähigkeit der Stützen, insbesondere da sie sich meist in mittleren Stützenbereichen befinden. Daher ist sie im Rahmen heutiger Tragfähigkeitsbewertungen und Wanddickenmessungen zu ermitteln. In der Vergangenheit wurden Bemessungsmodelle zur Bewertung der Tragfähigkeit entwickelt, die diese Kernexzentrizität berücksichtigen.

Was charakterisiert Puddeleisen / Schweißeisen?

Bei den ersten industriell erzeugten zugfesteren Eisen handelt es sich häufig um Puddeleisen oder Schweißeisen. Der Name Puddeleisen stammt vom englischen to puddle, dem beständigen Rühren des Puddlers der die im Hochofen erzeugte, geschmolzene Roheisenmasse unter der Schlacke durch ständiges Rühren entkohlte und dadurch in Schmiedeeisen umwandelte. Das schlackehaltige Endprodukt wurde gewalzt und in Bauteile geformt. Puddeleisen ist ein weniger kohlenstoffreiches, zugfesteres Eisen. Aufgrund der Handarbeit, dem schweren Rühren einer plastischen Masse, blieben jedoch schwefel- und phosphorhaltige Begleitstoffe (Schlacken) im Eisen, die das Eisen im Laufe der Zeit altern und verspröden lassen. Die Bauteile konnten im Gegensatz zu Gusseisenbauteilen nun auch genietet werden. Puddel- oder Schweißeisen ist im Zuge von Ertüchtigungen / Verstärkungen nicht bzw. nicht mit allgemein üblichen Schweißverfahren schweißbar.

Wie steht´s um die Schweißeignung von Flusseisen?

Industrielle Eisenherstellungsverfahren ermöglichten ab 1855 mit dem Bessemer Verfahren, ab 1864 mit dem Siemens-Martin-Verfahren und ab 1879 mit dem Thomasverfahren die Massenproduktion von Schmiedeeisen, dem sogenannten Flusseisen. Die Verfahren kamen bis in die 1950-er /1960-er Jahre hinein zum Einsatz. Mit neueren Verfahren ließen sich homogenere, heute übliche Stähle erzeugen.

Die Eisen können jedoch aufgrund ihrer Zusammensetzung und höheren Schwefel- und /oder Phosphorgehalten mit der Zeit weiterhin verspröden.

Zur Feststellung einer Schweißeignung sind umfangreiche Voruntersuchungen zu chemischen Materialzusammensetzungen, der Lage von Seigerungszonen und Festigkeiten, Zähigkeiten erforderlich. Hiernach ergibt sich, was bei einer Wieder- / Weiterverwendung des Bauteils zu beachten ist, ob und wie das Alteisen z. B. fügbar / schweißbar ist. Viele im 19. Jahrhundert errichtete Brücken bestehen aus Puddeleisen / Schweißeisen, so dass zum Erhalt von Alteisenkonstruktionen in hierauf qualifizierten Materialprüfungsanstalten einige Erfahrungen vorliegen. Zudem gibt es zerstörungsfreie Untersuchungsverfahren, die Schäden (z. B. Risse in Verbindungsmittelanschlüssen / Nietanschlussbereichen) erkennen lassen.

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