Stellt man Rissbildungen in einem Gebäude fest, stellen sich Fragen, inwieweit die vorhandenen Risse einen Einfluss auf die Standsicherheit des Gebäudes haben oder womöglich ausschließlich eine optische Beeinträchtigung darstellen.
URSACHENKLÄRUNG VON RISSBILDUNGEN
Bei der Bewertung von Rissbildungen ist generell von Bedeutung, ob eine Rissbildung auf eine schwerwiegende Veränderung des Bauteils hindeutet. Kleine Risse im Deckenputz lassen möglicherweise auf eine unzureichende Haftzugfestigkeit des gesamten Putzes schließen, feine Risse an einer Betonoberfläche können auf Korrosion der innenliegenden Bewehrung hinweisen, sie können aber auch ganz regulär aufgrund zulässiger Durchbiegungen aufgetreten sein, denn Stahlbeton ist eine rissebehaftete Bauweise.
Des Weiteren ist im Rahmen der Bewertung von Rissbildungen zu klären, ob das bei dem Ortstermin festgestellte Rissbild einen Endzustand darstellt oder ob mit einer Veränderung der Rissbildungen zu rechnen ist.
SCHWINDEN UND KRIECHEN ALS URSACHE VON RISSBILDUNGEN
Schäden, die sich auf einmalige schadensverursachende Vorgänge zurückführen lassen, sind z. B. Schwind- und Kriechvorgänge bei Neubauten. Die Risse entstehen hier infolge des Trocknungsprozesses der bei Herstellung des Gebäudes eingebrachten Feuchtigkeit sowie infolge zeitabhängiger Verformungen infolge der gegebenen Belastung.
ERSCHÜTTERUNGSBEDINGTE RISSBILDUNGEN
Auch einmalige Erschütterungen, z. B. infolge einer nachbarlichen Abriss- oder Baumaßnahme, können zu Rissbildungen in einem Bestandsgebäude führen. Es empfiehlt sich daher vor Beginn von Abriss- oder Bauarbeiten Erstbeweissicherungen durchführen zu lassen und während nahe gelegener Bauarbeiten Erschütterungen durch Erschütterungsmessungen zu protokollieren. Nach Abschluss der Bauarbeiten kann dann anhand einer Endbeweissicherung geklärt werden, welche neuen Risse durch Erschütterungen während der Bauzeiten auf den Nachbargrundstücken neu entstanden sind und dem Verursacher nachgewiesen werden.
SETZUNGSBEDINGTE RISSBILDUNGEN
Die Setzung des Baugrundes stellt ebenfalls eine mögliche Ursache für Risse im Gebäude dar. Die Dauer der Baugrundsetzung ist dabei im Wesentlichen von der Art des Baugrundes abhängig. Während bei kiesigen / sandigen Böden die Setzungen üblicherweise gering und meist wenige Monate nach Rohbauerstellung abgeschlossen sind, können bei bindigen Böden (Ton / Lehm / Schluff) auftretende Setzungen wesentlich größer und auch erst nach Jahren abgeschlossen sein. Im Zusammenhang mit bindigen Böden können auch „Schrumpfsetzungen“ auftreten. Gerade nach den zurückliegenden trockenen, heißen Sommern ist dieses Thema aktuell. Durch Wasserentzug findet eine Volumenverringerung gegenüber dem vormals feuchteren Boden statt, eine Reduzierung des Bodenvolumens führt zu Setzungen bestehender Bauwerke verbunden mit Rissbildungen.
RISSVERÄNDERUNGEN
Als immer wiederkehrend Risse verursachende Vorgänge sind das Außenklima (Temperatur und Feuchteänderungen) oder wiederholte Erschütterungen, ausgelöst durch z. B. Schwerlastverkehr, zu nennen. Risse infolge dieser Einwirkungen nehmen in der Regel weiter zu.
RISSVERSCHLUSS
Sind die Rissbildungen abgeschlossen, bzw. ist nicht mit einer deutlichen Risserweiterung zu rechnen, ist zu bewerten, inwieweit durch die Rissbildungen die technische Nutzungsfunktion des Bauteils und seine Dauerhaftigkeit beeinträchtigt sind. Hier sind die Standsicherheit und z.B. der Schlagregenschutz eines Putzes, aber auch die Schall- und Luftdichtheit der Konstruktion zu bewerten. Hiernach entscheidet sich u. a., ob der Rissverschluss kraftschlüssig und/oder abdichtend erfolgen muss.
BEWERTUNG VON RISSBILDUNGEN
Ist eine Beeinträchtigung in technischer Hinsicht nicht oder nur geringfügig gegeben, ist zu bewerten, ob es sich bei den Rissbildungen nur um eine optische Beeinträchtigung, einen technischen Mangel und eine Abweichung von den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.), handelt.
Die rissverursachenden Zugkräfte verlaufen i.d.R. senkrecht zum Riss. Daher können am Rissverlauf bzw. an der Rissform in vielen Fällen die Ursachen der Rissbildung (Lage-, Form-, lastabhängige und lastunabhängige Volumenveränderungen) abgeschätzt werden.
Bauteile können aufgrund verschiedenster Ursachen nach Fertigstellung Lage-, Form- oder Volumenänderungen unterworfen sein, die Rissbildungen in der ausgeführten Konstruktion und damit auch im Putz zur Folge haben.
UNVERMEIDBARE RISSBILDUNGEN
Konstruktionsbedingte Risse sind bei normalem und üblichem Aufwand nicht immer mit Sicherheit zu vermeiden. Sie müssen vom Bausachverständigen, Architekten oder Tragwerkplaner konstruktiv berücksichtigt werden, wenn sie voraussehbar auftreten werden. Durch putztechnische Maßnahmen kann in der Regel nicht verhindert werden, dass Risse, die in der Konstruktion entstehen, auch bis in Putz hindurchtreten.